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Band

Christoph «Kriz Flew» Flueler

Im Mai fand das grosse Vortragskonzert des Gymnasiums statt. Ein Prestigeanlass, bei dem die Töchter und Söhne wohlbetuchter Zürcher Familien Ihre musikalischen Fortschritte und Fähigkeiten unter Beweis stellten. Man spielte entweder Geige oder Klavier, studierte Mozart, Chopin und Beethoven. Am Apéro riche im Foyer wurden die Talente angemessen bewundert, die Zukunftsaussichten der Zöglinge besprochen und die ersten Praktika in befreundeten Anwaltskanzleien vereinbart. Auch Kriz war in einem Haushalt aufgewachsen, in dem ausschliesslich Klassik gehört wurde. Er spielte als Kind brav Märsche auf der Trompete, bis er eines Tages die einzige Louis-Armstrong Schallplatte, die sein Vater zufällig von einer Reise aus England mitgebracht hatte, entdeckte. Die rohe Kraft und tänzelnde Eleganz dieses Sounds, der Rhythmus, der diese Musik gleichzeitig tonnenschwer und federleicht durchflutete, die wilde Freiheit der Improvisationen und die tiefe Wahrheit des Blues machten aus dem Buben aus dem Zürcher Oberland einen Jazzmusiker, bevor er es wusste. Das Vortragskonzert nahte und für Kriz war klar, dass er den mit seinem Trompetenlehrer vereinbarten zweiten Satz des Haydn Konzertes nicht spielen würde. Heimlich formierte er eine Band aus Gleichgesinnten, schrieb einen Song für Bläsersatz und Rhythmusgruppe und probte im Keller des Kirchgemeindehauses. Wie staunten die Eltern, als nach der Pause in der Gymnasiumsaula der Steinway-Flügel durch Gitarrenverstärker, ein echtes Leslie, Schlagzeug, E-Bass und Keyboards ersetzt worden war und statt Haydn ein ekstatischer Funk-Groove von der Bühne knallte. Kriz blickte in die empörten Gesichter, schloss die Augen und drückte ab. Er mag sich nicht heute mehr an die Reaktionen aus dem Publikum erinnern, an das verzweifelte Abwinken des Rektors, an den wilden Applaus der Schülerinnen und Schüler. Nur, dass er nach dieser Vortragsübung den Trompetenlehrer wechseln musste. Und dass er Jazzmusiker geworden ist.


Weitere Informationen unter:
http://www.krizflew.ch
http://www.klangfaktur.ch
http://www.wolkenpark.com

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Mike Moling

Zwei Typen stehen auf der improvisierten Holzbühne der Foxfire Ranch
irgendwo im Hinterland Mississippis und spielen seit 15 Minuten den
gleichen Akkord aus der Halbwelt zwischen Dur und Moll. Der
Schlagzeuger hämmert ekstatisch-apathisch auf seine Trommeln ein,
immer den gleichen, schweren Groove. Diese Musik ist das Gegenteil
von all dem, was Mike Moling bisher gekannt und geliebt hat. Mike hat
ziselierte Popsongs für die Italoband «Sarda» geschrieben, hat für das
Orchester Musikkollegium Winterthur komponiert, für Big Bands und für
eine Acappella-Gruppe arrangiert. Sein heiligstes Prinzip waren
Wohlklang und harmonische Raffinesse. An diesem Abend auf der
Foxfire Ranch stürzt für Mike eine Welt zusammen. Die Monotonie, das
unerbittliche Weiterpreschen der beiden Bluesmusiker ist für den
Schweizer Schöngeist das Purgatorium auf Erden. Das Schrecklichste
daran: Es ist kein Ende abzusehen. Die Stücke schleppen sich in ewiger
Repetition dahin, ertrinken im Meer des klebrigen Rhythmus. Mike starrt
auf die Bühne, will das Gelände verlassen, weg aus dieser hämmernden
Hölle, kann aber nicht fort, weil zu viele Leute im Weg stehen, muss
bleiben – und plötzlich verändert sich seine Wahrnehmung: Plötzlich
ergibt sich der Pianist diesem Groove, lässt sich fallen in den Beat,
beginnt das ewig Gleiche dieser Klänge zu geniessen, zu erkennen,
dass es in dieser Musik nicht um Schönheit, sondern um Wahrheit geht.
Seit diesem Abend auf der Foxfire Ranch hat Mike keinen einzigen
Popsong mehr geschrieben. Er exerziert stundenlange Groove-Sessions
am Piano, gründet ein Duo mit dem Wiener Bluessänger Carl Kick und
stürzt sich in ekstatisch-monotone Improvisationen mit Andy Wettstein
und Ralph Sonderegger. Die New Orleans-Groover Wynton und
Branford Marsalis führen Mike zum Jazz, den er mit verschiedensten
Musikern pflegt, immer im Wissen: Der Groove ist die Wahrheit.

Musikalische Kollaborationen:
Tobias Preisig, Christian Niederer, Rahel Hadorn, Gregor Müller,
Daniela Sarda, Ralph Sonderegger, Rico Baumann, Pius Baschnagel,
Jodok Hess, Jörg Sandmeier, Michael Zisman, Adrian Stern,
Musikkollegium Winterthur usw.

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Fridolin Berger

Fridolin Berger

 

Es war einmal ein kleiner Junge, der trug den Namen des kantonalen Schutzheiligen und war fasziniert von deutschen Schlagern sowie deren InterpretInnen:  Manuela, Gitte, Rex Gildo – you name it. Zusammen mit  einem Kollegen lernte er Texte und Melodien, trug das Ganze in der Schule vor und erlebte zum ersten Mal, wie sich Applaus anfühlt. Auf der Sek-Stufe formierte sich bald ein Quartett nach dem Vorbild der britischen Beat-Gruppen, die damals, in den Sechzigern, die Welt faszinierten und manche Girls das Bewusstsein verlieren liessen. Da McCartney eine Gitarre mit nur vier Seiten spielte, musste auch so ein Ding her. In der legendären EMBAG in Zürich wurde man fündig: E-Bass, Occasion, Marke Hagstrom. Das Gerät wurde allerdings direkt nach Eintreffen des ersten Lohns durch einen Fender Jazz Bass ersetzt.

 

Letzterer wurde seinerseits auch wieder ersetzt, denn bald rief der Jazz. Und der angesagte Sound kam nur mit einem Kontrabass in den Bereich des Möglichen. Der Zufall wollte es, dass ein lieber Freund einen solchen zu Hause liegen hatte, ihn gerade nicht benötigte und kostenfrei zur Verfügung stellte. Adrian trägt also die Verantwortung dafür, dass Fridolin seither infiziert ist und nicht von der sog. Grossmutter lassen kann. Das Instrument, das er seit vielen Jahren spielt, könnte vom Alter her immerhin fast seine Mutter sein.  Und auch ohne Infizierung würde er wohl weiterhin tiefe Töne liefern, denn BassistInnen sind derart gesucht, dass eigentlich immer der eine oder andere Gig in der Agenda steht.  

Andi Wettstein

Andi Wettstein

 

Er hatte es geschafft. Sandra war in seinem Zimmer. Sie, die ihm mit ihren Sommersprossen, den blonden Haaren und der verheissungsvoll glänzenden Zahnspange schon seit langem aufgefallen war. Am meisten gefielen ihm ihre coolen Sprüche. Wenn sie etwas lustig fand, sagte sie «da seichsch in Ofe!», wenn sie mit etwas einverstanden war «selbvertüürli» und beendete jede Aussage mit der Frage «checksch de Pögg?».

Nun sass sie auf seinem Bett in seinem Zimmer, beide schwiegen. Andi wusste nicht weiter und auch Sandra schienen die Sprüche ausgegangen zu sein. «Hast du keinen Sound zum Reinziehen?», fragte sie plötzlich. Andi legte Musik auf, eine Sammlung mit Hits, die er auf CD gebrannt hatte, mit Whitney Houston, Dr. Alban und Phil Collins. Nun war es zwar nicht mehr so still im Zimmer, aber Andi wusste immer noch nicht, was er sagen sollte. Da ertönten plötzlich der dumpfe Drumcomputer, der flüssige Synthie und wie ein entferntes Gewitter die verzerrte Gitarre.  Andi setzte sich an das Schlagzeug in seinem Zimmer und begann leise mitzuspielen. Den Groove hatte er schon oft geübt.  Das zurückhaltende, schwere Pumpen der Toms, das ruhige Pulsieren voll dunkler Ahnung. Das Stück steigerte sich langsam, wurde intensiver, Andi spielte jede Note mit, jeden Fill kannte er. Phil Collins sang, dass er es in der Luft fühlen könne, dass er sein ganzes Leben auf diesen Moment gewartet hatte – und dann kam der Moment: Das Break, dass die ganze Ruhe zerschmettert, all das Unterdrückte raushaut, Andi trommelte gegen das Schweigen an, gegen die Peinlichkeit, hämmerte alles, was er Sandra gern gesagt hätte, in die Felle. Als er fertig war, sah er, dass Sandra die Augen geschlossen hatte. Sie sagte nur ein Wort. «Geniös.»

 

In diesem Moment merkte Andi, dass die Schlagzeugsticks Zauberstäbe waren, die Situationen und Menschen verwandeln konnten. Er begann diese Kunst zu studieren, in Europa und Los Angeles, bei Hexenmeistern wie Dave Liebmann, Kurt Rosenwinkel und Norbert Pfammatter. Er zauberte mit Phil Woods, Franco Ambrosetti, David Hellbock, mit dem Zurich und Lucerne Jazz Orchestra und vielen weiteren. Und bisweilen, wenn er auf den grossen Bühnen in trommelt, denkt er an jenen Nachmittag in seinem Zimmer zurück und an Sandra. 

Aktuelle Bands:

Marianne Racine, Klaus Koenig Jazz Live Trio, Troja, Roli Frei & The Soulful Desert, Prinz Grizzley, Los Dos

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